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Die Vortrefflichkeit von Schopenhauer

In den Universitäten Norwegens legt man in unserer Zeit großes Gewicht auf besonders einen philosophischen Gelehrten, jenen im 18. Jahrhundert lebenden Urheber eines weit umfassenden und tief systematischen Denkens, nämlich den Königsberger Philosophen Immanuel Kant. Die Kehrseite dieses glänzenden Rufs ist die Welt der Schatten, in welcher andere Denker, die mindestens gleich bedeutend sind, dahinwelken müssen, zumindest bis sie von der Akademia wiederentdeckt werden.

Jedoch ist es wahr, dass Kant im gewissen Sinne einen Wendepunkt der Philosophiegeschichte darstellt, indem er eine völlig neue Erkenntnistheorie durch sein Werk, Kritik der reinen Vernunft, schuf. Die Theorien der Rationalisten mit ihrer dogmatischen Metaphysik und die der Empiristen mit ihren vereinfachten Lehren des menschlichen Daseins konnte er entkräften, wozu niemand davor imstande war. Er hat das kritische Denken über den Menschen und die Welt weit vorangebracht, und dafür verdient er eine Stelle unter den wesentlichsten Philosophen der abendländischen Geistesgeschichte.

Seit seinem Tod sind nun 210 Jahre verstrichen, und immer noch scheint es, als ob Kant der letzte Große sei, trotz der unvermeidlichen Tatsache, dass er im Laufe des 19. Jahrhunderts gründlich kritisiert und in vielen Dingen sogar widerlegt wurde. Besonders einer der deutschen »Idealisten«, wenn man ihn so nennen darf, hat sich das Erbe von Kant angeeignet und vor allem verbessert, nämlich Arthur Schopenhauer.

Kant litt an der philosophischen Krankheit des Systematisierens, Schematisierens und Rationalisierens aller Empfindungen, Erfahrungen und Anschauungen. In seiner Kammerphilosophie kann es nur eine Konzeptualisierung der erkennbaren Welt vermittelst der Vernunft geben. Des Weiteren dachte er, dass menschliches Handeln durch die Vernunft motiviert sein sollte, vermöge des kategorischen Imperativs. Was übrig bleibt, überlässt er freimütig dem Bereich des Glaubens. Der Mensch sei im Großen und Ganzen ein vernünftiges Wesen mit einer sehr eingeschränkten theoretischen Vernunft, und nur die praktischen Vernunftsregeln könnten ihn zum guten Handeln anleiten. So ist es kein Wunder, dass laut moderner Akademia eine solche Anthropologie unserer skandinavischen Sozialdemokratie dienlich sein müsse. Der Mensch ist entmannt worden.

Schopenhauer folgt dem Königsberger Kammerphilosophen in vielem nach, aber sein großes Verdienst besteht darin, dass er in Kants muffiges Bauwerk einen Hauch frischer Luft hineinlässt. Während Kant die Erkenntnis nur durch die Vernunft entstehen lässt, betont Schopenhauer eine gewisse innere Erfahrung, die wohl nicht in Kategorien und Formeln gedacht werden kann, und zwar die Erfahrung des Willens. Der Wille ist Schopenhauers grundlegende Entdeckung, obwohl er ihn in das kantische System hereinzieht, namentlich an die Stelle des unbekannten »Ding an sich«. Trotzdem ermöglicht ihm der Wille ein neues Verständnis des Menschen, als eines innewohnenden Triebwesens, in dem die Vernunft lediglich eine zusätzliche, nachträgliche Rolle spielt. (Nietzsche wird später die Vernunft noch weiter beseitigen -- oder vielmehr unter dem Willen selbst subsumieren.)

Wo Kant sagen würde, die Vernunft beherrsche die Leidenschaften, würde Schopenhauer behaupten, die Vernunft diene dem Willen. Rein empirisch können wir feststellen, dass Schopenhauer den Menschen genauer und ehrlicher beschrieben hat als Kant. Er hat ihn aber auch zu einem gefährlicheren Geschöpf gemacht, unerwünscht in unserer Gesellschaft, wo Ideen über Demokratie, Gleichstellung und eine vernünftige Bürgerschaft nötig sind, um die Illusion von Frieden, Freiheit und Stabilität zu bewahren. Es soll jedoch nicht die Aufgabe verantwortungsbewusster Universitäten sein, politische Rücksichten zu nehmen. Darum ist es nun höchster Zeit, dass in Norwegen eine Doktorarbeit über Schopenhauers Philosophie geschrieben wird. Lassen wir jenen altmodischen Kant in Frieden ruhen.

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